Die Menschen in Sibirien bezeichnen den Baikalsee nicht als See, sondern voller Hochachtung als Meer. Hier geht es nicht nur um die Größe, obwohl die statistischen Daten beeindrucken: Der Baikal erstreckt sich über 620 Quadratkilometer und ist der tiefste See und das größte Süßwasserreservoir der Welt. Baikal Bewohner, unabhängig davon, ob sie orthodoxen, buddhistischen oder schamanischen Glaubens sind, halten auf dem Weg zum Meer an, um “den Geistern gefällig zu sein”. Dies wird auf folgende Art und Weise gemacht: man gießt einige Tropfen Wodka oder Milch auf den Boden, als Ausdruck der Hochachtung für das sibirische Meer.
Mitte Februar friert der Baikalsee fast völlig zu und das Standeis verändert auch die Bewohner. Plötzlich öffnen sich Ihnen neue Wege und Möglichkeiten.
Fischer gehen zum Beispiel weiter hinaus auf das Eis, immer auf der Suche nach dem Baikal Schatz - dem sibirischen Omul. Über das Eis werden Lebensmittel und sogar Möbel in die weit abgelegenen Siedlungen geliefert. Besondere Orte auf dem Baikalsee sind die Wetterstationen und Posten der Naturschutzgebiete. Sie werden von Meteorologen und Vertreter der Umweltschutzbehörde bewohnt und betrieben. Bevor der See zufriert, sind sie von der Außenwelt abgeschnitten. Sobald aber das Eis fest wird, gelangt man zu Ihnen, in ganz abgelegene und einsame Gebiete, die im Russischen als “Skite von Baikal” bezeichnet werden. Das Wort “Skite” bedeutet Einsiedelei oder Eremitage oder bezeichnet eine klosterähnliche Mönchsgemeinschaft. Erfahrenen Piloten mit ihren Allradautos (UAZ) überqueren das Eis. Solche Fahrer werden hier als Eiskapitäne bezeichnet.
Mein Fahrer heißt Alexander. Er ist Eiskapitän mit einer 30-jährigen Erfahrung. Wir fahren zusammen in den unbesiedelten nördlichen Teil des Sees.
Die Kunst eines Eiskapitäns besteht in seiner Fähigkeit “das Eis zu lesen” und gefährliche Stellen zu erkennen. Manchmal hält Alexander das Auto an, schaut lange in das Eis hinein, schlägt paar Mal mit einem Holz auf das Eis und wir fahren weiter. Seine Ahnen waren Kosaken, die Entdecker Sibiriens und des Fernen Ostens. Erst wohnten sie an den Ufern der Lena und zogen dann in Richtung Jakutien. Am Steuer seines UAZ schweigt Alexander und nur beim Passieren der Eisrisse bemerkt er leise: “Wir fahren hier durch!”.